Erfolgreiche Arbeitsverweigerungsstrategen

Valentino Brasilero

Zum Abendessen gab es so manche ungewohnte Leckerei und vor allem die üppige Vielfalt überraschte mich. Zunächst gab es Naturreis mit einer brasilianischen Variante des Stroganoff. Dieses brasilianische Stroganoff roch zwar ein wenig nach Büffeldurchfall, schmeckte jedoch sehr viel besser. Nein, nun haben Sie mich falsch verstanden! Natürlich hatte ich niemals zuvor Büffeldurchfall probiert - es schmeckte lediglich besser als es roch. Dazu gab es frittierte Manjokstäbchen, die brasilianische Variante des Kartoffelsalats, sehr leckeren Chu-Chu Salat, den die meisten Ausländer scheinbar nicht besonders mögen, den ich allerdings besonders lecker fand und natürlich die dunklen kleinen Bohnen aus Rio. Sao Paulo hatte seine eigenen Bohnen, die wesentlich heller waren, als die Bohnen aus Rio. Da ich aber vor kurzem gesagt hatte, dass mir diese Bohnen aus Rio noch besser schmeckten, als jene aus Sao Paulo, gab es in letzter Zeit fast nur noch welche aus Rio. Dazu wurde frisch gepresster Maracujasaft gereicht. Alles in allem unglaublich lecker. Üblich wie es hier war, saßen wir wieder in der großen Familienrunde zusammen am Esstisch.

Als wir dann letztes Endes doch noch alle mit dem Essen fertig waren, da ging es zum großen Abwasch über. Hier hat Brasilien noch erheblichen Nachholbedarf in Sachen gerechter Rollenverteilung. Nun hatten die Frauen bereits für uns den halben Nachmittag in der Küche gestanden, um unser dekadentes Mahl auf den Tisch zu zaubern. Allen hat es außerordentlich geschmeckt, was ich anhand der gepflegten Stille nach der Nahrungsaufnahme vernahm, nun könnte man denken, die Männer würden vielleicht freiwillig zum Abwasch über gehen. Aber nein! Brasilien, immer noch das Land der Machos kennt es vorwiegend anders. Die Männer verschwanden vor dem Abwasch, wie Baumarktverkäufer an einem Aktionstag vor dem Besucheransturm. Kein Mensch weiß, wo sie sich verstecken, aber sie sind schlichtweg nicht mehr auffindbar.

 

Der Abwasch sollte also an den Frauen der Runde hängen bleiben. Als guter Gast sah ich es als meine Pflicht an, hier eine Vorreiterrolle einzunehmen. Schließlich hatte ich meine Freude beim Essen, nun wollte ich zumindest meinen kleinen Beitrag aus Dankbarkeit leisten.

Meine deutsche Disziplin half mir schließlich dabei, der erste am Waschbecken zu sein. Nein, eine Spülmaschine stand uns nicht zur Verfügung. Viele Hände, schnelles Ende - so halfen mir die Frauen der Familie selbstverständlich aus Gewohnheit. Ich legte also los, als hätte mir ein Bonus für Schnelligkeit zugestanden. Nach einer ganzen Weile lobte mich dann vor allem Lissandras Mutter. Sie schien schwer begeistert von meinem Tatendrang und meiner durchaus aufgeschlossen Rolle als Mann. Dann schwenkte sie über zu einer kleinen Anekdote ihrerseits. Mütter und ihr ganzer Stolz: ihre Töchter. 

 

"Lissandra ist eine wahre Expertin im Vermeiden des Abwasches," begann sie. "Wenn es sehr viel Abwasch gibt - so wie heute, dann isst sie so langsam und so viel, so dass sie die letzte am Esstisch ist. Erst wenn der Abwasch beinahe fertig ist, so steht auch sie endlich auf und hilft uns noch beim Abtrocknen der letzten drei Tassen. Aber wenn es kaum etwas abzuwaschen gibt, dann ist sie die erste und macht den Abwasch ganz schnell. So spiegelt sie den Anschein vor, sie würde auch oft beim Abwasch helfen."

 

"Clever," gab ich ein wenig zwiegespalten zu. Natürlich war ich sehr stolz auf die Ausgebufftheit meiner Freundin, aber ich machte mir natürlich auch ein paar Gedanken, wie es aussehen würde, wenn nur wir beide zusammen im Alltag vor der Aufgabe des Abwasches stünden.

 

"In Deutschland kenne ich auch so einen Strategen," begann ich meine kleine Geschichte. "Schon früher, wenn seine Mutter ihn bat, die Spülmaschine auszuräumen, so hat er bewusst immer wieder mal einen Teller und ein Glas - selbstverständlich aus reinem Versehen - fallen lassen, so dass seine Mutter letztlich sagte, sie würde es schon machen. Das hat er dann so lange durchgezogen, bis er gar nicht mehr gefragt wurde, die Spülmaschine auszuräumen. Später sollte er dann lieber den Müll heraus tragen, aber dabei ist ihm unglücklicherweise öfters der Müllbeutel aufgerissen und der Müll verteilte sich hübsch im ganzen Wohnzimmer."

 

"Certo, esperto!"

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