A família, os vizinhos e a família

Familie, Nachbarn und die Familie

Valentino Brasilero

Es war Sábado, Kirchensamstag. "Aber Sonntag ist doch der Tag des Herrn," war auch mein erster Einwand in meinem Argumentationsturm. Aber man antwortete mir nur trocken, nein, es wäre schon immer der Samstag gewesen und woher sollte ich, der Heide, es auch wirklich wissen, wann der Tag des Herrn war. Ich wäre immerhin original evangelisch und nicht dieser merkwürdige bierlose Ansatz, den ihr Evangelismus nennt, war die Antwort, die dann meinen Turm zum schwanken brachte. "Also wir plagen uns mit diesem ganzen Christenkrams schon gute tausend Jahre länger herum als ihr," war dann der finale Brandbechleuniger. Ein heftiger Familienstreit entflammte. Gut, die sind also beschäftigt, dachte ich mir nur und ging zu Nina herüber, um mit ihr etwas Ball zu spielen. Mein Job war getan. 

 

"Ah, gucke mal was ich hier für dich habe," hielt ich Nina den einen Tag zuvor gekauften Ball unter die Schnauze und warf ihn ein paar Meter weiter. "Ja, hol!" Nina wetzte sofort mit heraus hängender Zunge dem Ball hinterher. Dann stand SIE plötzlich neben mir und ich nahm SIE nichts ahnend von hinten in den Arm und schlang meine Arme um ihren straffen Bauch, so wie ich es immer tat. Dann gab ich ihr einen Kuss in den Nacken. "Du weißt schon, dass ich Larissa und nicht Lissandra bin!" hörte ich plötzlich die ungewohnte Stimme in arglistigem portugiesisch neben meinem Ohr. Ich erschrak! "Vertan, sprach der Hahn," versuchte ich diese kleine Verwechslung humorvoll zu retten. "Ihr seht euch aber auch verdammt nochmal zum verwechseln ähnlich." Natürlich wurde dieses kleine Verwechslungsmanöver von keiner geringeren als Maria, der Mutter der Entehrten, bösen Blickes beobachtet. Ich konnte ihrem Blick direkt die entsprechenden Gedanken ablesen: "Nun versucht dieser deutsche Teufel auch noch die zweite Heilige zu verführen."

 

Nina kam wieder, aber ohne Ball. Mit heraushängender Zunge guckte sie mir blöd in die Augen. "Ja, wo hast du denn den Ball gelassen?" fragte ich sie, aber sie bellte nur etwas Unverständliches. Dann kam wirklich Lissandra zu mir herüber. "Ich hab gerade deine Schwester mit dir verwechselt und sie aus Versehen geküsst, entschuldige." machte ich von Anfang an kein Geheimnis aus der Sache, in der Hoffnung, so wäre der Ärger schneller verflogen. Die Taktik ging auf, ich hatte erstaunliches Glück.

 

"Nina hat den Ball gar nicht zurück gebracht," erzählte ich weiter. 

 

"Sie hat ihn bestimmt irgendwo verbuddelt, das macht sie immer so." 

 

Hum, das war ja mal ein kurzes Spiel und ein besonders verrückter Tag und es war gerade einmal 9 Uhr morgens, dachte ich nur. Das kommt also dabei heraus, wenn man den Tag des Herrn einfach mal so mir nichts, dir nichts verlegt. Nina bettelte mich an - sie wollte doch tatsächlich den Belohnungssnack von mir haben. "Na, dann nimm, heute ist eh alles egal!"

Später am Nachmittag waren wir dann bei den Nachbarn zum Kuchen eingeladen. Alle waren sehr neugierig auf den Branquinho, wie man mich angesichts meiner hellen Hautfarbe gerne in der Comunidade nannte. Längst hatte ich mir einen gewissen Ruf aufgebaut, der mir wieder einmal voraus eilen sollte. Aber davon wusste ich zu diesem Zeitpunkt noch gar nichts.

 

Der Tisch war opulent gedeckt: Es gab von süßen Spezialitäten, wie etwa brigadeiro, den kleinen fettig triefenden Rumkugeln Brasiliens, über trockenen Käsekuchen bis hin zu den deftigeren Käsebällchen, den so genannten bolinho de queijo, alles was das brasilianische Herz begehrte. Den meisten Süßkrams hatte ich bereits zuvor an anderer Stelle probiert - ich hielt mich also an diese kleinen leckeren Käsebällchen, von denen ich nicht genug bekommen konnte. 

 

Der Reihe um wurde ich den Leuten vorgestellt, Lissandra half mir, alles richtig zu verstehen. Dann war unser direkter Nachbar von gegenüber an der Reihe. Luíz hieß der gut aussehende Mann in seinen besten 30ern. Er würde für PCC arbeiten wurde noch gesagt und ich nickte, als hätte ich verstanden, nur um mir noch eines dieser kleinen Käsebällchen zu ergaunern. PCC - vermutlich irgend etwas handwerkliches, dachte ich nur. "Macht ihr Holz und Boden?" brachte ich dann in meinem gebrochenem portugiesisch, verfeinert mit Käseschrot über die Lippen. Luíz wischte sich ein bisschen Käse vom markanten Kinn. "Nur gelegentlich," gab er kurz zurück. Seine Augen blieben starr auf mich gerichtet.

 

"PCC ist hier die Mafia, mein Schatz!" flüsterte mir Lissandra ins Ohr. "Er ist hier der Chef in der Straße - wenn es ein Problem gibt, dann gehen alle zu ihm! Niemand aus der Gegend würde es wagen, hier etwas zu klauen, sonst würde Luíz schnell mal eine Hand als Strafe nehmen."

 

Das letzte Käsebällchen wollte mir erstaunlicherweise nur schlecht die Kehle herunter rutschen. "Eine Hand nehmen?" fragte ich irritiert nach.

 

"Abschlagen!" flüsterte sie mir ins Ohr und sagte dann für alle verständlich. "Danke Luíz, dass du uns vor ein paar Wochen vor diesen Autos vor unserem Hof gewarnt hast."

 

"Keine Ursache, ihr müsst euch keine Sorgen mehr um sie machen. Ich habe diese Angelegenheit geregelt."

 

"Ja, danke Luíz," bestärkte ich nun Lissandra. "Wir Nachbarn müssen ja zusammen halten." Luíz nickte nur knapp.

Spät am Abend bekam ich dann unglaublich starke Magenkrämpfe. Ich wälzte mich hin und her, jaulte sehr wehmütig durch die Dunkelheit und schluckte eine Pille nach der anderen. Paracetamol, Buscopan Plus und Iberogast: Nichts wollte so richtig helfen und die Packungen waren schon beinahe leer.

 

"Schatzi, ich glaub ich muss sterben!" Ich war der schlechteste Kranke dieser Welt.

 

"Was isst du auch diese Käsebällchen von der alten Frau da Silva? Jeder hier weiß, dass man davon ganz ganz üble Magenschmerzen bekommt!"

 

"Ja, danke auch für die nicht erteilte Vorwarnung, Schatzi. Darauf werde ich bei Gelegenheit nochmal zurück kommen. Kennst du eigentlich Krabbeldiewandnuff?"

 

"Nein, was ist das? Du hättest eben nicht meine Schwester küssen dürfen!"

 

"Ah, es ist ein leckerer Schnaps in Deutschland, du wirst schon sehen..."

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