Goldrausch in Südafrika 2

Kapstadt und der Mega-Deal

Am nächsten Vormittag regnete es besonders stark. Der Tafelberg versteckte sich hinter einer dichten Wolkenwand. Christian rief in Gansbaai an und erkundigte sich darüber, ob es möglich wäre, an diesem Tag hinaus auf das Meer zu fahren, um Haie zu beobachten. Gansbaai liegt etwa 165 km südöstlich von Kapstadt und zählt weltweit zu den besten Orten, um weiße Haie zu beobachten. Doch uns wurde mitgeteilt, dass die Wellen bis zu sieben Meter hoch wären und daher kein Boot hinaus fahren würde. Wir nutzten den Tag und schauten uns erst einmal Kapstadt mit seinen Sehenswürdigkeiten selbst an. Das Wetter blieb beständig schlecht und so erkundigten wir uns jeden Tag vergebens, ob wir endlich in den Edelstahlkäfig unter Wasser gelangen könnten.

 

Durch das Wetter mussten wir all unsere geplanten Aktivitäten streichen: Hierzu gehörten Paragliding vom Lion’s Head, Abseilen vom Tafelberg, Whale Watching in Hermanus (als Bootsfahrt) und ein Helikopterrundflug mit der alten Bell UH-1, dem sogenannten Huey. Sie wissen schon: dem prototypischen Helikopter aus dem Vietnamkrieg. All dies fiel buchstäblich ins Wasser. In den folgenden Tagen sahen wir uns daher erst einmal die Hauptattraktionen für Touristen an: Zuerst fuhren wir mit der Fähre nach Robben Island. Komischer Name für eine Insel auf der keine Robben leben.

 

Robben Island liegt etwa 12 km vor Kapstadt und bietet somit eine wunderschöne Aussicht auf die gesamte Tafelbucht samt Kapstadt. Allerdings ist Robben Island hauptsächlich dafür bekannt, einmal eines der berühmtesten Gefängnisse der Apartheid gewesen zu sein. Der zweifelsfrei bekannteste Häftling war Nelson Mandela (er wurde hier knapp 20 Jahre inhaftiert). Die frühere Gefängnisinsel wurde in den 1990er Jahren zu einem Natur- und Nationaldenkmal und die ehemaligen Gefängnisgebäude zu einem Museum umfunktioniert. Ein absolutes Muss für jeden, der sich ein wenig mit der traurigen Geschichte Südafrikas befassen möchte. Wir wurden sogar von einem ehemaligen Häftling herum geführt, was wiederum zu einer lebhaften Diskussion zwischen Christian und mir führte: Ist es moralisch einwandfrei, einen ehemaligen Häftling als Tourguide in seinem alten Gefängnis einzusetzen? Ist es eher eine Quälerei, jeden Tag allein durch die Nähe zum alten Gefängnis, mit seiner grausamen Vergangenheit konfrontiert zu werden, oder ist es eher ein Akt der Befreiung, ein persönliches Aufarbeiten der entstandenen Traumata? Was denken Sie? Wir argumentierten so lange, bis jeder von uns genau den konträren Standpunkt angenommen hatte und wir die Diskussion quasi direkt noch einmal mit umgedrehten Vorzeichen neu hätten beginnen können. Unsere Gruppe war verschwunden, vermutlich nicht ganz so plötzlich und wir waren gefangen im Zellenblock C.

Am nächsten Tag fuhren wir ins District Six und besuchten das gleichnamige Museum. Auch hier wird die Geschichte der Apartheid erneut lebendig und so kann man viele Informationen über diese Zeit und deren Folgen einsehen. Auch wenn die schwarze Bevölkerung Südafrikas mittlerweile ihre Freiheit gewonnen hat, so ist es immer noch ein langer Weg, bevor sie auch die gleichen Rechte und Privilegien genießen wird.

 

Beinahe an jedem Tag besuchten wir die Victoria & Alfred Waterfront. Hierbei handelt es sich um ein Einkaufs- und Vergnügungsviertel direkt am Hafen mit spektakulären Aussichten. An einem Tag besuchten wir auch das dort gelegene Two Oceans Auqarium. Dieses kann ich persönlich allerdings nur bei dauerhaft schlechtem Wetter empfehlen.

Dann ging es bei vermeintlich gutem Wetter hoch auf den Tafelberg. Unten in der Stadt war es an diesem Tag recht klar, doch etwa 1.000 Meter höher war die Sicht eher schlecht und es lag sogar ein wenig Schnee auf dem Plateau. Doch wenn sich der Nebel für einen Moment lang lichtete, so bekamen wir herrliche Ausblicke auf die Stadt.

Kapstadt kannten wir nun bereits recht gut und so mieteten wir ein Auto, um auch das Umland besser kennenzulernen. Ich hatte noch wichtige Dinge im Hotel zu regeln: Schließlich konnten meine Siedler im Internet schlecht ohne meine weisen Anweisungen auskommen. Christian sollte schon einmal den abgesprochenen Opel Corsa von der Verleihfirma besorgen. Gerechte Arbeitsteilung eben. Eine Stunde später wartete ich bereits ungeduldig vor dem Hostel, als ein riesiges Ungetüm die Sonne verdunkelte. „El Nikki,“ schrie Christian aus dem heruntergelassenen Seitenfenster vollster Euphorie. „Ich hab den meeeeeeega Deal an Land gezogen!“ – „Du darfst diesen Landrover Defender behalten, wenn du es schaffst die Gletscher binnen einer Woche eigenhändig zu schmelzen?“ – „Nein!“ – „Du hast am Glücksrad gedreht und diesen riesigen Haufen Blech gewonnen?“ – „Nein!“ – „Du hast diesen Rehzerquetscher zum Preis des Corsas bekommen?“, fragte ich nun hoffend nach. „Ach Quatsch El Nikki, den Defender bekommst du doch nicht zu diesem Preis! Aber dafür können wir jetzt durch Flüsse fahren! Guck dir den Schnorchel des Autos an. Geil oder?“ (Wir sind durch keinen einzigen Fluss gefahren, aber mit sehr viel Begeisterung fuhr Christian durch jede Pfütze, die er finden konnte.) „Wunderbar“, entgegnete ich wenig überzeugt. „Aber was kostet uns dieser Spaß?“ – „Ach, lächerliche 500 € mehr in der Woche!“ – „Fünfhundert?“ Ich bemerkte, wie hoch meine Stimme plötzlich war und bekam keine Luft mehr in die Lungen. „Davon lebe ich drei Monate lang!“ Christian lachte. „Das nennst du Leben? Aber es sind 500 € pro Kopf, nicht das wir uns falsch verstehen.“

Als ich wieder das Bewusstsein erlangte, waren wir bereits unterwegs nach Simon’s Town. Simon’s Town liegt etwa 40 km südlich von Kapstadt direkt auf der Cape Point Route und ist Heimathafen der südafrikanischen Flotte. Hier liegen sie also: Die gesamten Kriegsschiffe Südafrikas. Also alle vier Fregatten der Valour-Klasse, sowie die drei U-Boote der Heroine-Klasse. Aber uns lockte etwas ganz anderes in die False Bay: Im Süden der kleinen Hafenstadt liegt der Boulder’s Beach mit seinen gewaltigen Granitfelsen. Dieser Strandabschnitt ist Heimat für eine der drei Pinguin-Festland-Kolonien Südafrikas. Insgesamt umfasst die Kolonie etwa 3.000 Brillenpinguine, die seit 1985 dort leben. „Immer elegant gekleidet, die Jungs,“ bemerkte Christian und guckte mir fordernd in die Augen. „Daran kannst du dir mal ein Beispiel nehmen!“ Meine Schlagfertigkeit war jedoch an jenem Tag stark eingeschränkt. Verzweifelt überlegte ich immer noch, woher ich die 500 € für den Landrover hernehmen sollte. Wir waren in Südafrika – vielleicht könnte ich eine Niere verkaufen. Am Besten eine von Christians Nieren…

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